Bevor wir weiter in die norwegische Fjordwelt eingetaucht sind, haben wir die beiden Hafenstädte Stavanger und Bergen erkundet. Die meisten Kreuzfahrten nach Norwegen legen zumindest in einer der beiden Städte einen Zwischenstopp ein. Welche Stadt uns besser gefallen hat? Definitiv Stavanger. Bergen hat zwar die größere Hafenpromenade und weitläufigere Altstadt. In Stavanger hingegen ist alles – trotz großer Küstenstadt – noch etwas einladender und gemütlicher. Ansonsten habe beide Städte außerhalb ihrer Touristenattraktionen und Sehenswürdigkeiten genauso viele wirtschaftliche und demografische Herausforderungen wie andere europäische Städte. Was auf jeden Fall in Stavanger aber empfehlenswert wäre, ist ein Ausflug beziehungsweise eine Wanderung zum Preikestolen, eine natürliche Felsplattform mit weitem Blick über den Lysefjord und die angrenzenden Berge. Die Größe des Felsplateaus beträgt nur zirka 25 mal 25 Meter ohne jegliche Absicherung. Man sollte nicht allzu sehr unter Höhenangst leiden, denn gerade auch die letzten Meter zum Plateau fordern einem dahingehend einiges ab. Wir hätten diese Wanderung - die auch gut mit Hund machbar sein soll, sofern er die Leinenführigkeit beherrscht - sehr gerne gemacht. Das Wetter hat aber leider nicht mitgespielt. Mehrere Tage hat es zu unserer Zeit in der Gegend geregnet und das wäre für diese Wanderung nicht ungefährlich gewesen.
Wir sind dann weiter durch die norwegische Fjordwelt gereist. Unterwegs haben wir noch den längsten Straßentunnel der Welt mitgenommen. Der Laerdalstunnel ist 24,5 Kilometer lang und bietet eine fährenunabhängige Verbindung zwischen Bergen und Oslo. Das ist gerade in den Wintermonaten für die Menschen hier sehr wichtig. Alle sechs Kilometer fährt man in diesem Tunnel durch eine große Halle mit einer sehr speziellen bunten Beleuchtung.
Weiter ging es dann Richtung Jostedalsbreen-Gletscher im gleichnamigen Nationalpark. Er ist der größte Gletscher auf dem europäischen Festland und zugleich eine Art Naturlabor, insbesondere für die Bereiche Geologie, Klimawandel und Vegetation. Der am leichtesten zugängliche und spektakulärste der Gletscherarme am Jostedalsbreen-Gletscher ist der Bøyabreen-Gletscher in Fjærland. Er ist ein typischer Hängegletscher und erscheint mächtig bis tief ins Tal von Fjærland. Man sieht ihn schon von der Straße aus. Wir haben hier am Boyabreen ganz allein eine traumhafte Nacht im tiefen Schnee verbracht. Im Ort Fjaerland befindet sich auch das Norwegische Gletschermuseum, das landesweit führend bei der Vermittlung von Wissen über Gletscher und Klima ist. Die Führungen und Vorträge fanden wir sehr interessant.
Langsam näherten wir uns einem Höhepunkt in der norwegischen Fjordwelt – der Geirangerfjord. Er ist nicht nur einer der bekanntesten norwegischen Fjorde, sondern gehört auch zum UNESCO-Weltnaturerbe. Der fünfzehn Kilometer lange Geirangerfjord, der sich von den kleinen Orten Hellesylt bis Geiranger erstreckt, zählt nicht nur aufgrund der vielen Kreuzfahrtschiffe zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Norwegens. Durch beziehungsweise entlang des Fjords gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder mit der Fähre von Hellesylt nach Geiranger oder entlang des Fjordes auf einer einzigen Landstraße. Das kleine Örtchen Geiranger am Ende des Fjordes ist mit zweihundert Einwohnern sehr beschaulich. Es sei denn, die Kreuzfahrtsaison beginnt. Dann wohnen ab Ende April bis Ende Oktober hier bis zu zweitausend Einwohner und fast täglich legt mindestens ein großes Schiff an und je nach Größe strömen tausende Passagiere von Bord. Wir haben das erste Kreuzfahrtschiff der Saison im Hafen begrüßen dürfen und waren von der Menschenmasse ein wenig irritiert. Den Nachmittag haben wir dann lieber in unserem BULLI bei einer Flasche Wein und Schach spielen verbracht. Für alle Geiranger-Besucher haben wir jedoch zwei Tipps: Unbedingt die „Brown Cheese“ Pralinen (der Braunkäse ist in Norwegen eine Spezialität) in der Schokoladenfabrik „Fjordnaer“ probieren. Ein netter Schwede, der seit ein paar Jahren aufgrund der Liebe diesem Ort verbunden ist, stellt gleich hinter seinem kleinen gemütlichen Laden Schokolade per Hand her. Eine sehr leckere landestypisch norwegische Fischsuppe gibt es nur drei Häuser weiter – in der Brasserie Posten. Die helle norwegische Fischsuppe ist nicht mit der französischen Bouillabaisse zu vergleichen. Sie wird aus Karotten, Sellerie und Petersilienwurzel mit verschiedensten Pfeffersorten gemacht und als Fisch kommen Kabeljau, Lachs, Rotbarsch oder Schellfisch hinzu. Auf jeden Fall ist sie eine sehr leckere Alternative zur französischen Variante.
Kommen wir aber nun endlich zum Wesentlichen. Was hat das alles hier mit der Überschrift zu tun? Kurz vor unserer Fährfahrt von Hellesylt nach Geiranger haben wir durch Zufall gelesen, dass die Gegend rund um den Geirangerfjord gefährlicher ist als man denkt. Der Grund ist ein riesiger Fels Namens Akernes, nur 13 Kilometer von Hellesylt entfernt. 54 Millionen Kubikmeter Gestein, die instabil und in Bewegung sind. Was sie dort anrichten würden, haben führende norwegische Geologen im Labor simuliert. Das schlimmste Szenario: 50 Millionen Kubikmeter Gestein setzen sich in Bewegung. Nach fünf Minuten erreicht die achtzig Meter hohe Welle den Ort Hellesylt. Um die unmittelbar betroffenen Einwohner und auch Besucher jederzeit zu informieren, gibt es ein bestens installiertes Frühwarnsystem. Sicher ist, dass die Welle kommen wird. Keiner weiß jedoch genau, wann das sein wird. In zwei Monaten oder erst in zweihundert Jahren. Solange bleibt Akernes aber auf jeden Fall der wohl am besten überwachte Berg Europas. Wir fanden die Gegend rund um den Geirangerfjord trotz der bewussten „Gefahr“ einmalig, waren aber dennoch nicht ganz unglücklich als wir uns zu unserem nächsten großen Etappenziel aufgemacht haben – die Atlantikstraße.