Albanien war während unserer Reisevorbereitungen das Land, vor dem wir eher Respekt und auch die größeren Sicherheitsbedenken hatten. Das Armenhaus Europas – so hieß es. Die Straßen seien in einem sehr, sehr schlechten Zustand. Menschen seien größtenteils noch auf Eseln unterwegs und die Kriminalität vielerorts sehr hoch und von der Mafia geprägt. Ganz zu schweigen von wilden Hunden, die Tollwut hätten. Also sind wir mit einem etwas aufregenderen Gefühl als sonst zur Grenze gefahren. Albanien gehört nicht zur Europäischen Union. Der Grenzübergang Sukobin, den wir von Montenegro aus gewählt hatten, ist jedoch ein Förderprojekt der EU und empfängt einen in einem sehr aufregenden lila Farbton. Unser Grenzübertritt erfolgte sehr unspektakulär. Wir mussten nur Ausweis und Fahrzeugpapiere vorzeigen und schon waren wir in Albanien.
Wir haben uns in das Land, das langsam den Tourismus für sich entdeckt, vom ersten Tag an verliebt. Albanien besitzt ein besonderes Flair und einen einzigartigen Charakter. Es präsentierte sich uns als eine wilde, ungezähmte und noch unberührte Naturschönheit. Die Menschen sind überaus hilfsbereit und vor allem sehr gastfreundlich. Egal wo wir standen oder übernachtet haben, wir haben uns zu keiner Zeit auch nur ein bisschen unwohl gefühlt. Die Straßen sind mittlerweile sehr gut ausgebaut, Strände sauber und Supermärkte gut sortiert. Westliche Firmen haben schon längst ihre Zelte aufgeschlagen. Gerade die Hauptstadt Tirana ist von morgens bis abends ein einziger wuseliger Ort. Straßenverkehrsordnungen werden hier noch nicht allzu genau ausgelegt. Defensives und vorausschauendes Fahren – gerade als Ausländer – können daher sehr hilfreich sein. Apropos Fahren: Handy am Ohr, plötzlicher Spurwechsel, Kurven schneiden und überhöhte Geschwindigkeit gehören zum guten Stil eines albanischen Autofahrers. 😉 Und das Land mit seinem knapp drei Millionen Einwohnern muss der Zweitmarkt für Mercedes sein. Wir haben noch nie so viele – zwar ältere Modelle aber bestens gepflegte - Mercedes-Autos gesehen wie auf den Straßen von Albanien. Die Liebe zu dieser Automarke hat in Albanien schon lange Tradition. Die Einheimischen haben uns gesagt, dass nur Autos von Mercedes seit Jahrzehnten den Belastungen durch Schlaglöcher, Schotter und Geröll Stand halten. Da können andere europäische Fabrikate wohl nicht mithalten. Auch wenn die Straßen mittlerweile besser geworden sind, wollen sie dennoch auf das deutsche Fabrikat nicht verzichten. Schauen wir mal, was die Albaner dann zu den ersten Elektroautos sagen werden. 😉
Höhepunkt in Albanien war für uns eine mehrtätige Offroad Tour durch die Berge. Unser BULLI hat alles gezeigt, was er kann. Schmale Schotterwege, steile Hänge, tiefe Wälder, einsame Flüsse und Schluchten – alles war dabei. Für 80 Kilometer offroad haben wir vier Tage gebraucht, bis wir wieder in der Zivilisation waren. Die maximale Geschwindigkeit betrug 20 km/h. Vom Durchschnittsverbrauch wollen wir eher nicht reden. In den Tagen sind wir in den Bergen vier Menschen begegnet und zwei Autos sind hupend und grüßend an uns vorbeigefahren. Das war ein einmaliges Erlebnis und eine Entschleunigung, die kaum zu beschreiben ist.
Unser letztes Nachtlager in Albanien hatten wir auf einem Hügel kurz vor der griechischen Grenze. Wir kamen mit Leo von einem Spaziergang zurück und sahen schon von Weitem, dass die albanische Polizei vor unserem BULLI auf uns wartete. Natürlich gingen uns unzählige Sachen durch den Kopf – von Bußgeldzahlung bis Kriminelle in Polizeiuniform. Alles Fehlanzeige! Wie gesagt standen wir sehr sichtbar auf einem Hügel. Die beiden netten Polizisten haben uns von ihrer Polizeiwache einige Kilometer entfernt gesehen und wollten sich unbedingt unseren BULLI aus der Nähe anschauen. Sie waren begeistert und meinten, dass wir gerne mit diesem tollen Fahrzeug stehen können, wo wir möchten und haben uns für den nächsten Tag eine gute Weiterreise nach Griechenland gewünscht. So viel zu albanischen Gastfreundschaft, die uns sehr im Herzen geblieben ist.
Für das Abenteuer Albanien empfehlen wir viel Entdeckergeist, Offenheit, Flexibilität, ein wenig Zeit und wenn möglich ein Fahrzeug, welches für Abstecher jenseits der Hauptrouten und Bergregionen geeignet ist. Dann wird man dieses faszinierende Land in ganz besonderer Erinnerung behalten und vielleicht irgendwann sogar einmal wiederkommen. Für uns ging es nach aufregenden und unvergesslichen Tagen durch Albanien ins schöne Griechenland weiter.