Zugegeben: Die Überschrift hört sich an wie der Titel eines Rosamunde Pilcher Filmes. Der kleinste der baltischen Staaten kann jedoch mit einer Landschaft wie aus den besagten Filmen durchaus mithalten. Estland protzt nur so voller Naturschönheiten. Wir haben das Land zum Großteil als eine wundervolle Mischung aus dem schönen Schleswig-Holstein und Brandenburg erlebt. An der estnischen Küste sind wir durch bunte Friesendörfer mit kleinen Cafés gefahren. Auf unserer Tour durch Estland haben wir vor allem viele Gutshöfe und Herrenhäuser gesehen. Skandinavische Könige, deutsche Ritter und russische Adelige - alle schätzten Estland als Wohnsitz. So entstanden seit dem 13. Jahrhundert über eintausend Herrenhäuser. Teils sind sie verfallen, viele von ihnen wurden oder werden jedoch wieder aufgebaut und als Hotel, Pferdegestüt oder Weinkellerei genutzt. Generell pflegen und errichten die Menschen hier alles mit sehr viel Liebe und Hingabe. Wir haben noch kein Land erlebt, in dem jede Rasenfläche – egal ob es das eigene Grundstück oder ein öffentlicher Platz ist – so akkurat gemäht wird. Mähroboter und Rasentraktoren gehören hier anscheinend zur Grundausstattung eines jeden Haushalts. 😉
Von der beeindruckenden Hauptstadt Tallinn, über die wir schon im vergangenen Beitrag berichtet hatten, sind wir an der Küste in Richtung russische Grenze gefahren. Auf dem Weg dorthin haben wir ein paar Tage im Lahemaa Nationalpark verbracht. Der Nationalpark ist mit über 700 Quadratkilometern Fläche das größte Schutzgebiet in Estland. Gegründet wurde der Nationalpark 1971 als erstes sowjetisches Reservat. Die Natur ist abwechslungsreich und offenbart einen sehr eigenwilligen Charakter: Es gibt dichte Wälder, Hochmoore, Seen und Wasserfälle.
Weiter ging es dann in die Stadt Narva. Sie ist die drittgrößte und östlichste Stadt Estlands und zugleich EU-Außengrenze zu Russland. Hier ist der Einfluss Russlands noch deutlich zu spüren. Keine Spur von renovierten Herrenhäusern und gemähter Vorstadtidylle. Narva war für uns ein noch gut erhaltenes Relikt aus Sowjetzeiten. Ein Spaziergang entlang des Flusses Narva, der zugleich Russland und Estland voneinander trennt, war für uns jedoch etwas bedrückend. Es war ein sonniger warmer Tag und eine Stille und Ruhe, wie man sie für eine Stadt mit 75.000 Einwohnern nicht vermuten mag. Zu sehen, dass in der heutigen Zeit Menschen von heute auf morgen nicht mehr so ohne Weiteres eine Grenze passieren können und Soldaten – mitten in Europa – mit Maschinengewehren was auch immer bewachen müssen, war schon sehr irritierend für uns. Hoffen wir, dass sich diese Situation bitte nicht noch weiter verschärfen wird.
Für etwas Ablenkung sorgte dann unser Ausflug nach Narva Josuü. Der bei Sommerurlaubern beliebte Kurort hat einen langen und breiten Sandstrand, der selbst in der Hochsaison nicht überfüllt ist. Von Strand hatten wir aber erst einmal wieder genug und haben uns ins Landesinnere aufgemacht. Vorbei ging es am Peipus See Richtung Tartu, die zweitgrößte Stadt Estlands. Der Peipus See ist ungefähr siebenmal so groß wie der Bodensee und steht unter den größten Sees Europas an fünfter Stelle. In seiner Mitte läuft in Nord-Süd-Richtung die Grenze zwischen Estland und Russland. Die Lebensart der in Seenähe gelegenen Dörfer und Ansiedlungen ist stark von einer Vielzahl russischer Zuwanderer sowie vom Fischfang, dem allgegenwärtigen Haupterwerb der Umgebung geprägt. Nicht selten werden rohe oder bereits zubereitete Fische direkt am Wegesrand verkauft. Es herrscht kein Mangel an lokalen Spezialitäten, was angesichts des Fischreichtums auch nicht weiter verwundern kann. Rund um das lang gezogene Ufer des Peipus Sees haben wir hier im Sommer keine Heerscharen von Touristen erlebt.
Die Stadt Tartu hingegen ist quirlig und jung und eine Wiege für Kreatives und Wissenschaftliches. Hier befindet sich die älteste Universität Nordeuropas. Tartu ist sehr kompakt und praktisch alle Sehenswürdigkeiten, Restaurants und auch das Nachtleben sind in nur ein paar Parallelstraße zu finden. Vor allem große Theateraufführungen, Konzerte und Festivals prägen diese Stadt. Nicht umsonst ist sie die Kulturhauptstadt Europas 2024.
Von Tartu ging es für uns weiter durch unendliche Wälder, Wiesen und Felder durchs Landesinnere wieder gen Norden - an Tallinn vorbei und dann die westliche Küste wieder hinunter. Padilski, Keila, Hapsaluu sind einige Küstenorte, an die es uns verschlagen hat. Wir haben atemberaubende Sonnenauf- und Sonnenuntergänge gesehen, waren spazieren an endlosen Sandstränden, haben dem Rauschen der Ostseewellen gelauscht und unser COBB Grill war im Dauereinsatz. Bevor es dann langsam nach Lettland gehen sollte, haben wir noch einen kleinen Umweg in den Soomaa Nationalpark gemacht. Das Reservat umfasst eine der interessantesten, aber auch unwegsamsten Sumpflandschaften in Nordeuropa. Selbst in der Hochsaison war der Nationalpark jedoch wenig besucht. Wanderungen und geführte Touren sind in dem Park nur auf Bretterpfaden möglich, die nicht verlassen werden dürfen.
Über zwei Wochen waren wir im wunderschönen Estland unterwegs. Nun hieß es: Weiter nach Lettland mit vielen schönen Eindrücken aus dem kleinsten Baltikum Staat im Gepäck. Kann Lettland da mithalten? 😉