Lettland ist etwa so groß wie Bayern, hat aber nur knapp zwei Millionen Einwohner. Ehrlich gesagt hatten wir gar nicht gemerkt, dass wir bereits die Grenze zu Lettland überquert haben. Eigentlich wollten wir uns noch für eins, zwei Tage ein schönes Plätzchen an der estnischen Ostseeküste suchen. Da ich bei der Suche aber ab und an auch etwas mäkelig sein kann, sind wir dann doch ein Stückchen weitergefahren als gedacht und fast ganz unbemerkt über den kleinen Grenzübergang im lettischen Dorf Ikla gefahren. Hier haben wir für mehrere Tage dann auch einen sehr schönen Platz am Rigaischen Meerbusen – eine große Bucht der Ostsee zwischen Estland und Lettland – gefunden. Wir merkten aber, dass in Lettland im Vergleich zu Estland schon mehr Urlauber und Touristen unterwegs waren. Logisch waren auch die Sommerferien in Lettland in vollem Gang. Zum Glück war das aber noch nicht vergleichbar mit deutschen Ostseestränden oder den beliebten südeuropäischen Urlaubsländern. Übrigens interessant ist, dass nicht Frankreich, Spanien oder auch Italien in Europa die längsten Sommerferien haben. Nein, es sind die baltischen Staaten. Allen voran Estland mit 13 Wochen, gefolgt von Lettland und Litauen mit jeweils zwölf Wochen. Da bekommt das Thema Ferienplanung eine ganz neue Herausforderung. 😉
Ein Highlight in Lettland war natürlich die Hauptstadt Riga. Eine Wahnsinnsstadt mit so viel Geschichte und Tradition und dennoch sehr vielen jungen Menschen, die nur so vor Kreativität sprühen. Ausgehen, shoppen, essen gehen, Sehenswürdigkeiten entdecken – die Liste war sehr lang und man kann sicherlich mehr als nur zwei Tage in dieser beeindruckenden Stadt verbringen. Nur unser Hund Leo fand das verständlicherweise alles nicht so toll, hat sich dafür aber sehr wacker geschlagen.
Weiter ging es dann in den Gauja Nationalpark. Hier standen auf unserem Tagesplan neben Rad- und Wandertouren, vor allem Weinverköstigungen an. Der lettische Wein kann sich sehen lassen. Für uns und gerade für Detlef kommen sie an die Italiener und Spanier jedoch noch nicht ganz ran. Generell gibt es im Gauja Nationalpark einige sehr alte aufwändig restaurierte Herrenhäuser als feine Boutique Hotels mit einer sehr hochwertigen Küche aus regionalen Produkten. Dazu zählen vor allem Fisch und Fleisch geräuchert, Blutwurst, Sauerkrautsuppe, Roggenbrot in den verschiedensten Geschmackssorten, Pilze und Beeren. Ein Lettisches Nationalgericht ist Ligsdinas, eine Art „Überraschungsfrikadellen“, die mit hart gekochten Eiern, Pilzen oder anderen kalorienreichen Leckereien gefüllt werden. Sie werden mit Kartoffeln und einem Klecks Schmand in der Bouillon serviert, in der sie gekocht wurden. Kann man essen, schmeckt ganz lecker.
Was wir nicht wussten, mitten im Baltikum gibt es eine sehr schöne kleinere Kopie des weltberühmten französischen Schlosses Versailles. Rundale heißt dieser Ort und ist ein Muss auf jeder Lettlandtour. Da wir uns auf unserer Skandinavien-Baltikum-Tour zwangsweise zu Sightseeing-Experten entwickelt haben, führte uns natürlich auch ein Tagesausflug zu diesem sehr beeindruckenden Schloss. Das glanzvolle Barockensemble wurde im Auftrag der russischen Zarin und Nichte Peters des Großen Anna Iwanowna von 1736 bis 1740 errichtet. Der damalige Stararchitekt Bartolomeo Francesco Rastrelli lieferte die Pläne für diese Residenz im Stil des französischen Sonnenkönigs. Der vielbeschäftige Architekt erbaute für den Zaren übrigens auch den Winterpalast der Eremitage in Sankt Petersburg.
Lettland beziehungsweise generell das Baltikum sind auch bekannt für die langen und schönen Ostseestrände. Einer der bekanntesten lettischen Badeorte ist Jurmala in der Nähe von Riga. Dennoch blieb der Andrang rund um den Badeort im Vergleich zu anderen europäischen Urlaubsregionen zu unserer Zeit ebenfalls eher dezent. Platzangst sollte an den verschiedenen Badestränden entlang der Küste jedenfalls auch im Hochsommer nicht aufkommen. Dafür sind die Strände einfach viel zu lang.
Übrigens hat sich der Golfsport in den vergangenen Jahren im Baltikum sehr stark entwickelt. Es gibt sicherlich in Europa bestens etablierte Golfdestinationen, die beeindruckender sind. Aber sollten die Golfbegeisterten unter euch eine Baltikum-Tour planen, dann packt ruhig das Golfgepäck mit ein. Wir haben auf ein paar interessanten Plätze spielen dürfen.
Neben schönen Badeorten gibt es entlang der lettischen Küste auch das eine und andere sehr nette Küstenstädtchen. Wir waren unter anderem in Ventspils und dem größeren Liepaja. Fragt man einen Letten nach der aufregendsten Stadt in seinem Land, dann nennt er oft Ventspils. Für uns war das nicht so nachvollziehbar. So wirklich viel los ist hier nämlich nicht. Doch schaut man genauer hin, sieht man, dass Ventspils sich durch zahlreiche Renovierungs- und Sanierungsprojekte zu einem hübschen Städtchen mausert. Die Stadt hat es dank des Ölexports in den vergangenen Jahrzehnten zu erstaunlichem Wohlstand gebracht. Was man auch auf den ersten Blick sieht: Die Häuser sind in freundlichen Pastelltönen gestrichen, die Straßen sauber und gepflegt. Überall florieren kleine Geschäfte und Bistros. Das Preisniveau ist deutlich höher als im Umland und teilweise sogar höher als in Riga.
Die Küstenstadt Liepaja hingegen scheint nicht so recht zu wissen, wie sie sich entwickeln möchte. Sie ist die drittgrößte Stadt in Lettland und liegt an der berühmten Bernsteinstraße. Die Letten sagen, dass man am Ostseestrand heute noch nach stürmischen Nächten am nächsten Morgen schöne Bernsteine findet. Wir haben keine Bernsteine gefunden, weil wir auch nicht gesucht haben. Insgesamt hatten wir das Gefühl, dass Liepaja noch inmitten eines Veränderungsprozesses steckt. Verfallender Sowjet-Charme neben schicken modernen Bars, barocke Häuser neben grauen Wohnquadern. Nach Liepaja haben wir beschlossen ins letzte der drei baltischen Staaten aufzubrechen. So ging es dann an einem sehr regnerischen und stürmischen Tag für uns weiter nach Litauen.